Warum KI-Projekte scheitern – Und was Unternehmen dagegen tun können
Als „Director AI & Analytics“ verantwortet Steven Jones die Geschicke der Parsionate in den Bereichen Datenanalyse und Künstliche Intelligenz. Seit 2016 berät und unterstützt er die Kunden der Parsionate und begleitet sie auf dem Weg hin zu einer datengetriebenen Organisation.
Sein Team befähigt Unternehmen, die eigenen Daten zu verstehen, neue Daten zu erheben und diese zielgerichtet zu nutzen, um messbare Mehrwerte zu erzeugen.
Wie schätzt du den aktuellen Stand bezüglich KI-Projekten hierzulande ein?
Wenn es um KI-Projekte geht, wird oft auf die USA verwiesen, die als Vorreiter in diesem Bereich gelten. Aber ist das wirklich so? Ein Vergleich zeigt, dass auch in den USA viele KI-Projekte scheitern oder nicht die gewünschten Ergebnisse liefern. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass amerikanische Unternehmen oft schneller bereit sind, aus ihren Fehlern zu lernen und neue Ansätze zu entwickeln. An diesem Mindset sollten sich deutsche Unternehmen manchmal ein Beispiel nehmen.
Auch in Deutschland gibt es mittlerweile viele Unternehmen, die in KI investieren und bereits erfolgreich Projekte umsetzen. Und genauso viele Fälle, in denen KI-Projekte kläglich scheitern. Wichtig ist vor allem, dass die Ziele und Erwartungen an ein KI-Projekt realistisch formuliert und dass alle beteiligten Abteilungen und Mitarbeiter gut informiert sind. Nur so kann ein KI-Projekt erfolgreich gestartet werden.
Welche Einsatzbereiche von KI sind aktuell am erfolgversprechendsten?
Ein vielversprechender Bereich ist aktuell die Automatisierung von Geschäftsprozessen, wie zum Beispiel die automatische Erstellung von Rechnungen oder die Identifikation von Betrugsfällen. Auch im Bereich der Personalbeschaffung und -entwicklung wird KI bereits erfolgreich eingesetzt, um Bewerberprofile zu analysieren oder Mitarbeiterwechsel vorherzusagen.
Ein weiterer wichtiger Use Case ist die Personalisierung von Kundeninteraktionen, um eine optimale Customer Experience zu gewährleisten. Gerade hier gibt es noch enorm viel ungenutztes Potenzial, da viele Unternehmen nur einen Bruchteil der verfügbaren Daten bzw. des theoretisch verfügbaren Wissens gezielt einsetzen. Bei Parsionate haben wir etwa den Möbelhändler porta mit Machine-Learning-Algorithmen dabei unterstützt, das Kauferlebnis seiner Kunden kanalübergreifend zu optimieren.
Je nach Quelle scheitern 60-80 % aller KI-Projekte. Was, glaubst du, sind die Gründe dafür?
Ich denke, einer der Hauptgründe ist, dass Unternehmen oft nicht genau wissen, was sie von KI erwarten und welche Probleme sie lösen möchten.
Ein weiterer Grund für das Scheitern von KI-Projekten ist außerdem der Mangel an qualitativ hochwertigen Daten. KI-Systeme benötigen große Daten-Mengen, um effektiv zu arbeiten. Wenn die Daten nicht in ausreichender Menge oder Qualität vorhanden sind, führt dies dazu, dass das KI-System nicht die gewünschten Ergebnisse liefert.
Auch das Fehlen von KI-Experten oder Data Scientists im Unternehmen kann ein Hindernis sein. Es ist wichtig, dass Unternehmen in talentierte Mitarbeiter investieren, um sicherzustellen, dass sie über die Fähigkeiten und das Know-how intern verfügen, um KI-Projekte erfolgreich umzusetzen. Wenn ich von Fähigkeiten und Know-how spreche, meine ich damit aber weniger die Fähigkeit, die verschiedenen Layer eines neuronalen Netzes zu bauen, sondern vielmehr Soft Skills wie z.B. eine erhöhte Frustrationstoleranz und den Willen, sich in ein Problem wirklich hineinzuarbeiten und nicht zu schnell aufzugeben.
Neben einer klaren Strategie ist für den Erfolg von KI-Projekten auch die sorgfältige Auswahl der Projekt-Partner elementar.
Was können Unternehmen noch tun, um die Risiken bei KI-Projekten zu minimieren?
Es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht nur um die Technologie geht. Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass sie ihre Geschäftsprozesse und -strategien anpassen müssen, um KI erfolgreich einzusetzen. Es geht darum, die richtigen Daten zu sammeln und zu analysieren, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
Darüber hinaus müssen Unternehmen die ethischen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit KI berücksichtigen und sicherstellen, dass die Systeme transparent und verantwortungsbewusst sind. In Europa spielt beispielsweise die Einhaltung der DSGVO bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten eine wichtige Rolle.
Ich glaube, Unternehmen müssen ihre Denkweise und ihre Arbeitsweise grundsätzlich anpassen, um mit KI erfolgreich zu arbeiten.
Was ist die besondere Herausforderung bei KI-Projekten gegenüber klassischen Datenmanagement-Projekten?
Der Unterschied liegt zum einen in der Komplexität der Projekte. Während klassische Datenmanagement-Projekte darauf abzielen, Daten zu sammeln, zu speichern und zu verwalten, gehen KI-Projekte einen Schritt weiter. Ihr Ziel ist es, aus diesen Daten Muster und Trends zu erkennen und Vorhersagen zu treffen.
Zum andere sind die Ergebnisse schwieriger vorherzusagen. Hier sind die Fehlerkultur und Geduld der Stakeholder von entscheidender Bedeutung. Viele Initiativen scheitern, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben. Unternehmen müssen sicherstellen, dass entwickelte Lösungen schnell in den laufenden Betrieb gelangen und dort auch regelmäßig adaptiert und überwacht werden. Ein Großteil der Prototypen schafft es gar nicht in den operativen Betrieb, weil die ersten Ergebnisse, oft auf Basis von schlechter Datenqualität, nicht direkt die Erwartungen erfüllen und zu schnell aufgegeben wird.
Ein weiterer Unterschied: Um nachhaltig Nutzen zu stiften, ist das Aufsetzen einer Cloud-Infrastruktur für KI-Projekte mindestens genauso wichtig wie die Entwicklung des Algorithmus. Klassische Datenmanagement-Projekte können heute meistens noch ohne Probleme On-premises durchgeführt werden. Machine-Learning-Algorithmen hingegen sind oft sehr ressourcenintensiv. Um bei der Berechnung von Modellen skalieren zu können und schneller Ergebnisse zu erhalten, ist eine dynamische Nutzung von Rechenleistung essenziell. Diese Möglichkeiten sind On-premises nicht gegeben.
KI-Projekte benötigen also etwas mehr Invest als klassische Datenmanagement-Projekte. Ich lehne mich aber ein bisschen aus dem Fenster und würde behaupten, dass auch der mögliche Gewinn für das Unternehmen sehr viel höher ist.
Welchen Ansatz verfolgt ihr im Parsionate KI-Team, um eure Projekte erfolgreich durchzuführen?
Bei Parsionate ist uns bewusst: Der eigentliche Code für ein Machine-Learning-Modell stellt in einem typischen Projekt nur einen Bruchteil der Arbeit dar. Die Daten zu sammeln und diese nutzbar zu machen, sowie der Betrieb einer dauerhaften Cloud Infrastruktur und das Monitoring der Ergebnisse stellen einen deutlich größeren Aufwand im Projekt dar.
Mir gefällt diese Abbildung sehr gut, in der sichtbar wird, wie viel Aufwand in den einzelnen Bereichen eines KI-Projekts tatsächlich steckt. Eine ganzheitliche Betrachtung eines KI-Projekts ist für uns elementar.
Zum Start eines Projektes haben wir den AI Quick Check entwickelt. Dabei prüfen wir zunächst die Infrastruktur, die Prozesse, die Anwendungsfälle und vor allem die Daten eines Unternehmens. Wir helfen dabei, häufige Fehler zu vermeiden und einen optimalen Projektstart hinzulegen.
Sobald wir die realistischen Erwartungen und Ziele gemeinsam erarbeitet haben, kommt unsere Erfahrung zum Tragen. Bei KI-Projekten geht es nicht um die Funktionalität, sondern in erster Linie um die Daten. Deshalb helfen wir unseren Kunden mit einer passenden Projektmethodik. Diese ist nicht rein agil und nicht rein CRISP DM (Cross-industry standard process for data mining, das Standard-Vorgehensmodell für Data-Mining), sondern eher eine gute Mischung aus beiden Ansätzen. Es gibt einige Schritte, die in einer bestimmten Reihenfolge ausgeführt werden müssen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Da Künstliche Intelligenz jedoch schnelllebig ist und sich ständig verändert, ist eine agile Komponente unerlässlich.
Nicht zuletzt greifen wir als Team auf einen großen Erfahrungsschatz mit verschiedenen Tools und Algorithmen zurück und bleiben auch immer auf dem neuesten Stand der Technik. Und, was vielleicht am wichtigsten ist: Wir haben Lust, zu experimentieren und an neuen Herausforderungen zu wachsen.